ICH HABE MEINE MEINUNG NICHT GEÄNDERT: NACH DEM TERROR - PALÄSTINA - DEUTSCHLAND

von Ted Honderich

This is an article in German -- there is also the original English version -- written mainly to deny the idea that I have recanted or altered my view about Palestinian terrorism. I have not, in any way whatever. The article appeared in
Junge Welt, to which I am grateful, on 14 November 2003. It was prompted by a confused report elsewhere of lecture of mine in the University of Leipzig. This report, including lines about recantation or whatever, appeared in The Frankfurter Rundschau, the newspaper that began the German controversy about my book. That newspaper, whether or not true to its liberal tradition, refused to publish the present article of correction. Instead, it published one by Brumlik, he who accused my book of anti-Semitism. As I understand it, his article repeats the falsehood that I have somehow changed my mind. 

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Mein Buch Nach dem Terror, wie Sie möglicherweise gehört haben, beinhaltet ein gewisses Urteil, dass nämlich die Palästinenser ein moralisches Recht auf ihren Terrorismus gegen Neo-Zionisten haben, denn diese beanspruchen das gleiche Recht, explizit oder implizit, auf Gewalt gegen die Palästinenser. Die Neo-Zionisten haben die Grenzen von 1967 überschritten, und das bedeutet die Vergewaltigung des palästinensischen Heimatlandes.

Es wird niemanden erstaunen, dass ich bei dieser moralischen Rechtfertigung an den palästinensischen Terrorismus dachte, wie er war. Niemand hat mich gefragt, ob die Terroristen ein moralisches Recht hätten, Israelis zu Tode zu quälen. Oder 100.000 Israelis mit biologischen Waffen zu töten. Wenn jemand mir eine solche Frage gestellt hätte, wäre meine Antwort ein schnelles „Nein“ gewesen. Das Gleiche gilt für ähnliche denkbare Fragen.

Prof. Dr. Georg Meggle ist einer der besten neuen Philosophen in Deutschland. Persönlichkeiten von seiner Art werden in Deutschland gebraucht. In Leipzig hat er vor Kurzem zu recht zwischen schwachem  und starkem Terrorismus unterschieden. Starker Terrorismus zielt nach meinem Verständnis auf Unschuldige, Kinder eingeschlossen. Das ist etwas anderes, als wenn sie bei Angriffen auf Nicht-Unschuldige zu Schaden kommen oder getötet werden.

Es fiel mir nicht schwer, mich der Meinung anzuschließen, dass die Palästinenser kein moralisches Recht auf starken Terrorismus haben.

Grob gesagt, erstreckt sich das Recht der Palästinenser auf die Art von Terrorismus, den sie zur Zeit ausüben. Korrekt benannt handelt es sich um Selbstverteidigung, Freiheitskampf,  Widerstand gegen ethnische Säuberung und Staatsterrorismus, Selbsterhaltung als Volk und Terrorismus im Namen der Humanität. Muss man dieses Recht noch detaillierter beschreiben?

Sie können gerne einige meiner Unterscheidungen überprüfen. In vielen Konflikten gibt es eindeutig Unschuldige. Sie ziehen Nutzen oder Gewinn aus Unrechtshandlungen ihres Staates, die ohne ihre persönliche Zustimmung oder Entscheidung ausgeführt werden. Außerdem gibt es Halb-Unschuldige, Non-Kombatanten und Kombatanten außerhalb des Gefechts. Die Kategorie Zivilisten taugt nicht viel, denn sie beinhaltet alle obengenannten. Aber dies ist nicht der Ort, derartiges zu vertiefen.

Sie werden daraus schließen, dass ich meine Ansichten über das moralische Recht der Palästinenser nicht zurückziehe. Ich bleibe dabei. Mein Buch enthält einen verworrenen Satz hinsichtlich jüdischer Einwanderer aus Russland, aber dieser Satz beeinträchtigt meine Argumentation in keiner Weise. Weder dieser Fehler, der glücklicherweise in der neuen deutschen Ausgabe (Melzer-Verlag) entfernt wurde, noch die Äußerungen meiner Gegner werden mich veranlassen, meine Überzeugung vom moralischen Recht der Palästinenser oder die allgemeine Theorie, aus der sie sich ergibt, einzuschränken .

Würde ich meine Meinung ändern, wenn ich die Gedanken meiner vielen deutschen Kritiker und Verteidiger lesen könnte? Wahrscheinlich nicht. Moralische Fakten haben etwas unwiderstehliches. Was den Palästinensern angetan wird ist entsetzlich. Das ist keine Meinung, die man jemandem ausreden kann, eher ein Datum oder Axiom. Es beruht auf unserer Menschlichkeit, auf unserem Verständnis des Guten und auf unserer Vernunft.

Ich habe vieles über mein Buch gelesen und bin mir trotzdem sicher, dass ich kein Anti-Semit bin. Ich denke über mein wirkliches Leben nach. Sie können das auch, wenn Sie meine Autobiographie lesen möchten.

Ich war gleichsam derjenige, der den berühmten Philosophen des logischen Positivismus, Sir Alfred (Freddie) Ayer begraben hat. Er war Jude. Soll ich jetzt denken, dass ich ihn für einen „krummen Kaufmann“ (wie die Anti-Semiten bei uns sagen) hielt, geschweige denn, dass ich in irgendeiner entfernten Weise an Gaskammern dachte.

Sagte jemand, solche Überlegungen seien keine „philosophische“ Zurückweisung eines Verdachtes auf Antisemitismus? Ja, ein tiefgründiger Denker sagte genau das. Er sollte sich dem tatsächlichen Leben zuwenden.

In Deutschland ist es ein Skandal, wenn es notwendig ist, zusätzlich andere Unterscheidungen als die zwischen Ganz- und Halb-Unschuldigen usf. zu machen.   

Wer Widerstand gegen Neo-Zionismus mit Antisemitismus gleichsetzt, wirft zwei verschiedene Dinge in einen Topf. Da ist einmal Widerstand gegen einige Juden und auch andere – aber keinesfalls, weil sie Juden sind. Das andere ist eine Einstellung allen Juden oder Juden im Allgemeinen gegenüber. Jemand, der den Vorwurf des Antisemitismus erhebt und dabei von „antisemitischem Anti-Zionismus“ redet, drückt sich sehr salopp aus. Er vermengt den Widerstand gegen Sharon mit Dingen wie der Rechtfertigung von Gaskammern und Unterstützung neo-nazistischer Hetze.

Man hat mir vorgeworfen, ich und mein Buch seien antisemitisch. Offen oder zwischen den Zeilen wurde behauptet, mein Buch mache die Juden verantwortlich für den Hunger in Afrika. Es wurde unterstellt, ich hätte in einem Fernsehinterview gesagt, Deutschland werde von Juden gemanagt. Diese Behauptungen möchte ich kommentieren.

Wer solche Vorwürfe erhebt, steht nicht in der starken und andauernden Tradition jüdischer Humanität in Ethik und Politik, der so viele große Männer und Frauen angehören; er gehört nicht zu dieser noblen Gemeinde, die ich verehre und verehrt habe, bevor ich je den Namen Brumlik hörte. Möglicherweise entspricht man mit diesen Vorwürfen und Unterstellungen der Rolle des Direktors des Fritz-Bauer-Instituts. Aber man versäumt es, den Pflichten eines Wissenschaftlers gerecht zu werden.

Es gibt eine weitergehende Frage. Deutschland erinnert sich an seine Vergangenheit und schweigt deshalb zu  Palästina. Hier ergibt sich die  Möglichkeit für einen schrecklichen Vergleich: Ihr Vater hat eine Frau ermordet. Schweigen Sie deswegen über eine von ihrem Sohn verübte Vergewaltigung?

Es gibt ein Phänomen, das früher den Namen „Vergeltungstheorie der Bestrafung“ trug. Es stellt sich heraus, dass es auch eine Vergeltungstheorie der Schuld gibt. Diese Theorie lautet: die Schuld haftet einem Individuum oder einem Volk wegen Handlungen in der Vergangenheit an.

Bei näherer Überlegung reduziert sich die Vergeltungstheorie der Bestrafung auf etwas anderes, und zwar auf das  folgende Argument:  Bestrafung ist deshalb  berechtigt, weil sie diejenigen zufriedenstellt, die in der Vergangenheit gelitten haben und Vergeltung  verlangen. Das wird auch das wahre Wesen der Vergeltungstheorie der Schuld sein.

Wichtiger als diese schuldbeladene Befriedigung sind die Verhältnisse anderer Individuen und Völker, die zur Zeit in Elend leben. Ohne Zweifel muss Deutschland weiterhin die Kinder und Enkelkinder seiner Opfer entschädigen. Aber es muss auch anerkennen, dass manche Ansprüche unwürdig sind und dass es eine vorrangige Verpflichtung gegenüber den Palästinensern hat.

Auch wenn ich etwas Deutsch lerne und all diese Geschichten lesen kann, werde ich meine Meinung nicht ändern.


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